III Leben mit Demenzkranken - Tipps zur Gestaltung des Betreuungsalltags
III.1. Gestaltung des Wohn- und Lebensraums
Ein Merkmal der Demenz-Erkrankung ist, dass es den Betroffenen zunehmend schwer fällt, sich in ihrem alltäglichen Umfeld zu orientieren. Außerdem wächst das Risiko, dass die kranke Person aufgrund ihrer Behinderung sich und andere in Gefahr bringt. Deshalb ist es wichtig, die Lebensumstände – soweit möglich – an die Bedürfnisse der Kranken anzupassen.
III.1.1. Orientierung bieten
Die Demenz schränkt die Fähigkeit der Erkrankten ein, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Vertraute Erinnerungsgegenstände und die gewohnte Ordnung geben ihnen Orientierungshilfe und vermitteln das Gefühl von Sicherheit, während sich Veränderungen bzw. Neuerungen in der Wohnung meist als verwirrend und beängstigend darstellen. Deshalb sollte zunächst überlegt werden, ob eine Änderung wirklich notwendig ist. Ist sie nicht zu vermeiden, sollte sie möglichst behutsam und schrittweise eingeführt werden. Ist z.B. die Anschaffung eines neuen Herds unumgänglich, sollte ein möglichst ähnliches Modell gekauft werden, die Reihenfolge der Schaltknöpfe sollte unbedingt beibehalten werden, Form und Farbe übereinstimmen usw. Der meist irgendwann notwendige Umzug der Kranken in die Wohnung der Angehörigen und damit verbunden der Verlust der gewohnten Umgebung bedeutet einen Schock für die kranke Person. Es erleichtert ihr sich zu orientieren und sich heimisch zu fühlen, wenn ihr Zimmer mit den eigenen Möbeln in der vertrauten Ordnung eingerichtet wird.
III.1.2. Sicherheit im Wohnraum
Die Wahl der richtigen Maßnahme zur Unfallvermeidung erweist sich beim Umgang mit Demenzkranken als äußerst schwierig. Auf der einen Seite erhöhen Vergesslichkeit und Wahrnehmungsstörungen des Kranken das Risiko von Selbst- und Fremdgefährdung. Auf der anderen Seite sollte die Würde des kranken Menschen im Mittelpunkt der Überlegungen stehen.
Denn aus dem berechtigten Wunsch heraus, ihn zu schützen, kann leicht ein Überwachen und Überbehüten werden, das der kranken Person den Rest ihrer Eigenständigkeit raubt. Man sollte sich außerdem bewusst sein, dass absolute Sicherheit nicht erreicht werden kann und dass das Risiko – auch bei gesunden Menschen – immer ein Teil des Lebens bleibt.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Wohnung des/der Kranken auf Gefahrenquellen hin abzuklopfen und Spannungen und Unruhe im Leben des/der Kranken weitgehend zu vermeiden, da diese Unfälle begünstigen.
III.1.3. „Wandern und Verirren“ vermeiden
Viele Demenzkranke zeigen, vor allem im mittleren Stadium der Krankheit, einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Der „Wandertrieb“ ist nach einem Umgebungswechsel meist besonders groß. Ein erhebliches Risiko besteht dann, wenn der kranke Mensch auf seiner Suche nach Vertrautem das Haus verlässt und nicht wieder zurückfindet.
Nicht alle „Ausflüge“ demenzkranker Personen laufen so glimpflich ab. Gefahren sind neben einer Verletzung des/der Kranken auch Raub oder die Gefährdung fremder Personen.
Deshalb ist es für die Angehörigen eine schwierige Entscheidung, ob sie die kranke Person aus Sicherheitsgründen einschließen sollten oder nicht. Allerdings wirkt sich eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit des/der Kranken häufig negativ auf sein/ihr Befinden aus. Die kranke Person erlebt das Eingesperrtsein als unverständliche Strafe oder Bedrohung und reagiert mit Wut und Panik. Deshalb sollten erst alle „sanften“ Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bevor „Einschließen“ in Erwägung gezogen wird.
Wichtig ist, demenzkranke Menschen bei ihren „Wanderungen“ auf jeden Fall vom Autofahren abzuhalten, da das Unfallrisiko extrem hoch ist.
III.2. Teilnahme am täglichen Leben
Die Demenzerkrankung raubt den Betroffenen zunehmend die Möglichkeit, vertrauten Tätigkeiten nachzugehen und ihre Freizeit wie gewohnt zu gestalten. Aus Angst vor Versagen und peinlichen Situationen ziehen sie sich oft immer mehr in die Passivität zurück. Indem Angehörige ihrem erkrankten Familienmitglied ermöglichen, weiterhin aktiv am Leben teilzunehmen, tragen sie dazu bei, sein Wohlbefinden erheblich zu steigern und seine verbliebenen Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten.
III.2.1. Möglichkeiten des Tätigseins
Die Kranken brauchen das Tätigsein, um Bestätigung und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu erleben und um ihrequälende Unruhe zu lindern. Deshalb sollte man keinen Versuch scheuen, die Erkrankten sanft zu aktivieren und mit ihnen gemeinsam nach angemessenen Beschäftigungen zu suchen.
Bei der Auswahl geeigneter Tätigkeiten ist es wichtig, sowohl Unterforderung als auch Überforderung der Patient(inn)en zu vermeiden. Letztgenannte führt meist dazu, dass der/die Kranke Versagensängste aufbaut und sich in Untätigkeit flüchtet. Fühlt sich die kranke Person dagegen unterfordert, besteht die Gefahr, dass sie sich abhängiger fühlt, als sie ist und immer mehr ihre Selbstachtung verliert.
Grundsätzlich gilt, dass „sinnvolle“ Tätigkeiten wie z.B. Staubwischen oder Gartenarbeiten von den Kranken leichter angenommen werden als „pure“ Beschäftigungen wie z.B. Basteln, da der/die Kranke so das Gefühl hat, nützlich zu sein und gebraucht zu werden. Tätigkeiten, die früher gerne und oft ausgeübt wurden, werden auch von den Kranken bevorzugt.
Wer als Gesunder viel mit Schreibmaterial und Papier umgegangen ist, wird das auch als Kranker lieber tun als Unkraut jäten. Mit fortschreitender Krankheit ist von den Angehörigen viel Phantasie gefordert, da die Beschäftigungsmöglichkeiten der Betroffenen immer weniger werden. Monotonie in den Abläufen schreckt die gesunden Angehörigen, nicht aber die Kranken, die aus gleichförmigen Tätigkeiten ein Gefühl von Sicherheit und Kompetenz ziehen. Deshalb sollte man dem/der Kranken wenn gewünscht ruhig immer die gleichen Handtücher zum Falten oder Schuhe zum Putzen geben. Viele Aufgaben werden von den Kranken nicht mehr so ausgeführt, dass sie den Leistungsmaßstäben Gesunder genügen.
Wichtiger als Perfektion ist aber, dass die kranke Person sich angenommen und nützlich fühlt – und Spaß bei ihrem Tun empfindet. Werden z.B. beim Tischdecken die Untertassen vergessen oder das Besteck falsch angeordnet, sollten die „Fehler“ nicht unmittelbar vor den Augen der Kranken korrigiert werden, sondern „heimlich“ zu einem späteren Zeitpunkt. Kritik belastet demenzkranke Personen enorm, da sie der Argumentation meist nicht mehr folgen können. Lob dagegen aktiviert und tut gerade den Kranken besonders wohl. Sinnvoll sind auch sanfte Hilfestellungen, die die Arbeitsprozesse in überschaubare, kleine Schritte gliedern.
Bereitetdas Ausführen komplexer Tätigkeiten wie z.B. Kuchenbacken der kranken Person Probleme, reicht es oftmals aus, die Zutaten in der richtigen Reihenfolge anzureichen um die dazugehörige Handlung auszulösen.
Bei anderen Tätigkeiten wie z. B. der Handhabung von Messer und Gabel kann es eine Erleichterung bedeuten, wenn Sie der kranken Person die Möglichkeit geben, Ihre eigenen Handgriffe und Bewegungen abzuschauen. Setzen Sie sich dafür Ihrem/r Angehörigen gegenüber und begleiten Sie gegebenenfalls Ihre Tätigkeit mit informativen oder aufmunternden Worten.
III.2.2. In Verbindung bleiben – Kommunikation mit Demenzkranken
Die Möglichkeit, sich mit Hilfe der Sprache zu verständigen, nimmt mit dem Fortschreiten der Demenz immer weiter ab. Schwierigkeiten bei der Verständigung führen dazu, dass sich der/die Patient/in häufig enttäuscht oder verwirrt fühlt und zunehmend in Isolation gerät. Es ist daher wichtig, Wege zu finden, mit dem/der Erkrankten trotz gestörter Sprache in Verbindung zu bleiben.
Solange der kranke Mensch sich noch sprachlich mitteilen kann, versuchen Sie, ihn verbal dort abzuholen, wo er sich gerade befindet. Erzählt Ihr Angehöriger viel aus der Vergangenheit, nutzen Sie die Chance, von da aus eine Brücke in die Gegenwart zu schlagen. Spricht er über gemeinsame Kindheitserlebnisse mit seinem Bruder Erwin, können Sie z.B. berichten, dass Erwin morgen Geburtstag hat und Sie gemeinsam zum Kaffee eingeladen sind.
Die verbalen Äußerungen Demenzkranker werden mit der Zeit immer zusammenhangsloser und scheinen oft inhaltsleer zu sein. Umso wichtiger wird es, auf den Sinn hinter dem Gesagten zu achten. z.B. drückt andauerndes Rufen nach der bereits verstorbenen Mutter etwa den Wunsch nach Geborgenheit oder Zuwendung aus. Vielleicht hilft es dem/der Kranken, ihn/sie in diesem Moment in den Arm zu nehmen, statt darauf zu beharren, dass die Mutter seit vielen Jahren tot ist.
Je länger und besser die betreuende Person den/die Kranke/n kennt, desto besser gelingt es ihr in der Regel, die Wünsche und Bedürfnisse hinter den Worten herauszufiltern.
Die Fähigkeit der Kranken, nichtsprachliche Äußerungen zu verstehen und zu benutzen, bleibt sehr lange erhalten. Deshalb wird es immer wichtiger, auf ihre Körpersprache zu achten und auf Grund von Haltung, Gestik und Gesichtsausdruck zu entschlüsseln, was sie Ihnen mitteilen möchten. Auf der Gefühlsebene sind die Kranken besonders ansprechbar. Umarmungen, Streicheln und Blickkontakte geben den Kranken ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Auch wenn der Sinn der Worte Ihre Angehörigen nicht mehr erreicht, werden Unterhaltungen als Zuwendung aufgefasst und genossen.
Besonders sensibel reagieren Demenzkranke in der Regel darauf, wenn das was Sie sagen, nicht mit Ihrer Körpersprache übereinstimmt. Die gegensätzlichen Botschaften verwirren die Kranken und lassen sie hilflos zurück.
III.2.3. Jahreszeiten, Feste, Rituale – Fixpunkte zur zeitlichen Orientierung
Das Zeitgefühl der Kranken geht nach und nach verloren. Sie sind nicht mehr fähig, den Tag in sinnvolle Abschnitte zu gliedern.
Ihre „innere Uhr“ ist nachhaltig gestört, der Zeitpunkt für Mahlzeiten oder zum Schlafengehen wird selbstständig nicht mehr erkannt; werden die Kranken alleine gelassen, sind sie davon überzeugt, dieser Zustand habe stundenlang angedauert, auch wenn ihre Angehörigen nur für wenige Minuten das Zimmer verlassen haben.
Die zeitliche Orientierungslosigkeit löst große Ängste in den Betroffenen aus wie z.B. wichtige Ereignisse zu verpassen oder für immer verlassen zu werden. Deshalb ist es wichtig, den kranken Angehörigen möglichst lange Orientierungshilfen zukommen zu lassen, die sie dabei unterstützen, den Tagesablauf „in den Griff“ zu bekommen. Besonders hilfreich sind dabei feste Zeiten für die Aktivitäten des täglichen Lebens wie Mahlzeiten, Schlafengehen oder den gewohnten Spaziergang.
Das Gleichmaß der Abläufe mag den Angehörigen zwar langweilig vorkommen, die Ritualisierung gibt den Kranken aber Orientierung und Sicherheit.
Oft ist es sinnvoll, den Kranken Beruhigung statt reiner Information zukommen zu lassen. Wenn der/die Patient/in immer wieder besorgt fragt, ob schon Essenszeit sei, ist es wahrscheinlich besser, ihm zu versichern, dass er/sie sich keine Sorgen zu machen braucht, Sie würden ihn/sie rechtzeitig zum Essen holen, anstatt ihm/ihr lediglich zu versichern, es sei erst 10.00 Uhr.
Lebensgeschichtliche Erinnerungen helfen dabei, den Kranken möglichst lang einen Bezug zu Wochentagen oder Jahreszeiten zu vermitteln. Behalten Sie z.B. Samstag als Badetag bei, wenn der/die Kranke immer samstags gebadet hat, und halten Sie Familientraditionen wie Gänsebraten an Weihnachten oder Marmeladeeinkochen im Sommer aufrecht.
So erleichtern Sie dem kranken Menschen die zeitliche Orientierung und unterstützen ihn dabei, die Verbindung zu seiner Biografie und damit zu sich selbst aufrecht zu erhalten.
III.2.4. Beziehungen zu Verwandten und Freunden
Besucher sind gerade für demenzkranke Menschen, deren Beschäftigungsmöglichkeiten immer eingeschränkter werden, eine willkommene Abwechslung. Oft geraten aber die Kranken gemeinsam mit den betreuenden Angehörigen immer weiter in die Isolation. Es ist wichtig, dass sich die Pflegenden nicht aus Scham oder falsch verstandener Rücksichtnahme immer weiter zurückziehen, sondern dass sie Verwandte und gute Freunde zu Besuchen ermuntern und soweit möglich in die Pflege mit einbeziehen. Solange es noch möglich ist, sind gemeinsame Café- oder Restaurant-Besuche eine gute Möglichkeit, gesellschaftliche Beziehungen zu pflegen und den Alltag abwechslungsreicher zu gestalten.
Nachbarn und Freunde können eine wichtige Rolle bei der Pflege von Demenzkranken spielen; oft sind sie in der Lage, Probleme zu erkennen oder neue Lösungen zu finden, die Familienangehörige wegen zu großer emotionaler Nähe zu der kranken Person übersehen. Der Kontakt zu Verwandten und alten Freunden hilft den Kranken dabei, länger in Verbindung mit ihrer Lebensgeschichte zu bleiben.
Das gemeinsame „Auflebenlassen“ von alten Erinnerungen macht den Kranken meist viel Freude und bietet eine willkommene Abwechslung zu ihrem krankheitsbedingt gleich bleibenden Tagesablauf.
Manchmal brechen pflegende Angehörige aus Scham über die ungewöhnlichen, als „befremdlich“ verstandenen Verhaltensweisen Kontakte zu langjährigen Freunden oder sogar zu Verwandten ab. Oft genügt es aber stattdessen, den Mut für ein offenes Gespräch zu fassen. Klären Sie Ihre Freunde über Verlauf und Auswirkungen der Krankheit auf, und formulieren Sie ruhig auch Ihre eigenen Sorgen über den Eindruck, den dieses Verhalten bei anderen hervorruft.
III.3. Hilfe bei der Sorge für sich selbst
Die Kranken verlieren nach und nach die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen. Sie unterschätzen gefährliche Situationen und sind bei den Verrichtungen des täglichen Lebens zunehmend auf die Hilfe anderer angewiesen. Die Abhängigkeit von den Pflegenden bedeutet für die Betroffenen meist eine tiefe Kränkung ihres Selbstwertgefühls. Deshalb lehnen viele von ihnen notwendige Hilfe etwa beim Toilettengang oder bei der Körperpflege als Aufdringlichkeit ab.
III.3.1. Umgang mit gefährlichen Gewohnheiten: Rauchen und Autofahren
Unnachgiebigkeit der betreuenden Personen ist dann gefragt, wenn die Kranken mit ihren Aktivitäten sich und andere in Gesundheits- oder Lebensgefahr bringen können. Autofahren stellt Demenzkranke sehr früh vor große Probleme: Es verlangt volle Konzentration über einen größeren Zeitraum hinweg, zahlreiche vernetzte Entscheidungen müssen getroffen werden und die räumliche Orientierung ist in einem großen Maße gefordert. Auf der anderen Seite bedeutet der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel einen entscheidenden Eingriff in die persönlichen Freiräume der Patient(inn)en, denn gerade Autofahren gilt für viele Menschen als ein Symbol für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Deshalb erfordert der unvermeidliche Schritt, das Autofahren zu unterbinden, von den Betreuenden sehr viel Fingerspitzengefühl. Sie sollten zunächst versuchen, Ihren Angehörigen im Gespräch davon zu überzeugen. Weisen Sie dabei auf die Vorteile hin, die dieser Schritt für die kranke Person haben kann wie z.B. keine Parkplätze mehr suchen zu müssen. Gelingt es nicht, den/die Betroffene/n zu überzeugen, müssen weiterführende Maßnahmen ergriffen oder sogar das Auto abgeschafft werden.
Auch das Rauchen entwickelt sich mit der Zeit zu einer immer gefährlicheren Angewohnheit: Die Kranken verwechseln Gefäße wie z.B. Papierkörbe mit Aschenbechern, lassen ihre brennenden Zigaretten überall liegen oder vergessen, dass sie eine Zigarette in der Hand halten und verbrennen sich die Finger. In manchen Fällen ist es relativ einfach, die Kranken zum „Aufhören“ zu bewegen: Sind die Zigaretten aus ihrem Blickfeld verschwunden, vergessen sie oftmals dass sie jemals geraucht haben. Gelingt dies nicht, sollte die kranke Person nur noch in Gesellschaft rauchen.
III.3.2. Körperpflege
Demenzkranke Menschen benötigen mit der Zeit immer mehr Hilfe bei der Körperpflege. Manchmal vergessen sie, sich zu waschen, oder sie sind der Meinung, sie haben es schon getan.
Im weiteren Verlauf der Krankheit können sie die Fähigkeit verlieren, Gegenstände wie z.B. Zahnbürste oder Kamm zu benutzen bzw. sie vergessen deren Verwendungszweck. Die Tatsache, dass die Kranken auf Dauer bei der Körperpflege auf Hilfe angewiesen sind, bedeutet aber nicht, dass sie diese auch gerne annehmen. Viele alte Menschen haben sich noch nie in der Gegenwart anderer Personen ausgezogen oder gewaschen. Sie schämen sich und haben das Gefühl, dass die Pflegenden in ihre Intimsphäre eindringen. Oft fühlen sie sich gedemütigt und in die Rolle eines kleinen Kindes zurückversetzt.
Manche Demenzkranke lassen sich ungern von Verwandten – vor allem von den eigenen Kindern – waschen; in diesem Fall empfiehlt es sich, für die Körperpflege eine professionelle Pflegekraft zu engagieren. Im umgekehrten Fall erkennen die Kranken ihre Familienmitglieder nicht mehr und weigern sich, sich vor vermeintlich Fremden auszukleiden. Oft entsprechen auch die Hygienevorstellungen älterer Menschen nicht mehr den heute üblichen. Sind sie ihr Leben lang daran gewöhnt, nur einmal die Woche zu baden, wird es schwierig sein, sie zum täglichen Duschen zu bewegen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, lebenslange Gewohnheiten beizubehalten und öfter einmal „fünf gerade sein“ zu lassen.
Die Pflegenden sollten versuchen, die Kranken noch so viel wie möglich selbstständig erledigen zu lassen. Oft genügen schon einfache Impulse wie beispielsweise das Anreichen der Zahnbürste, um die gewünschten Tätigkeit in Gang zu setzen.
Hilfeleistungen sollten unter Berücksichtigung der Würde der kranken Menschen besonders taktvoll und vorsichtig dargeboten werden.
III.3.3. An- und Ausziehen
Im mittleren Stadium der Demenz wird es für die Betroffenen immer schwieriger, sich selbstständig an- und auszuziehen. Sie verwechseln die Reihenfolge der Kleidung, vergessen „mittendrin“, ob sie sich an- oder ausziehen wollten oder sie erinnern sich nicht mehr, wann sie ihre Wäsche zum letzten Mal gewechselt haben. Aufgrund von körperlichen Einschränkungen gelingt es oft nicht, Knöpfe zu schließen oder Schnürsenkel zu binden.
Die Hilfestellungen der Angehörigen sollten sich auch beim An- und Auskleiden auf das Notwendigste beschränken. Häufig genügt es schon, die Kleidung in der richtigen Reihenfolge zu Recht zu legen oder die kranke Person zum Weitermachen zu ermutigen. Hilfestellung bei Knöpfen oder Reißverschlüssen sollte behutsam gegeben und verbal begleitet werden.
Oft ist es sinnvoll, die Kleidung gemeinsam mit den Kranken herauszusuchen. Um Konflikte zu vermeiden, sollten Sie nur der Jahreszeit angemessene Kleidungsstücke zur Auswahl anbieten. Ist Ihr krankes Familienmitglied damit überfordert, können Sie nur noch zwei Kombinationen zur Wahl stellen. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, die kranke Person zum Wechseln der Kleidung zu überreden, kann es sinnvoll sein, nachts heimlich verschmutzte Kleidung durch frische zu ersetzen. Mehrere gleiche oder zumindest ähnliche Kleidungsstücke sorgen dafür, dass der Austausch nicht auffällt.
Wenn Sie Kleidungsstücke auswählen, die einfacher zu handhaben sind, kommen die Patient(inn)en besser damit zurecht und für Sie ist es einfacher, Hilfestellung zu geben.
III.3.4. Essen und Trinken
Essen ist für Demenzkranke oftmals eine der wenigen verbliebenen Freuden. Mahlzeiten knüpfen an altbekannte Abläufe an und helfen den Kranken, den Tag zu strukturieren. In Gesellschaft anderer Menschen ist Essen zudem ein wichtiges Gemeinschaftsstiftendes Ritual.
Aus diesen Gründen ist es wichtig, die gemeinsamen Mahlzeiten trotz aller auftauchender Schwierigkeiten, wie etwa der ungeschickten Handhabung von Messer und Gabel, möglichst angenehm und spannungsfrei zu gestalten. Dazu gehört, die Selbstständigkeit der Kranken bei der Nahrungsaufnahme mit allen Mitteln zu unterstützen. Gelingt das Schneiden von Fleisch nicht mehr, können die Bissen mundgerecht serviert werden, sind die Patient(inn)en bei der Auswahl der Speisen auf dem Tisch überfordert, ist es sinnvoll, „Tellergerichte“ zu servieren.„Kleckern“ die Kranken beim Essen oder sind sie nur noch in der Lage, mit den Fingern zu essen, sollten Sie sie auf keinen Fall kritisieren oder gar füttern, sondern unterstützend auf sie einwirken, indem Sie „fingergerechte“ Nahrungsmittel wie z.B. Kuchen anstatt Pudding servieren.
Kritik beschämt die Kranken und kann dazu führen, dass die Nahrungsaufnahme in Zukunft verweigert wird. Häufig kommt es im Verlauf der Demenz dazu, dass der/die Erkrankte zu wenig Nahrung zu sich nimmt. Entweder wird das Essen einfach vergessen oder die kranke Person glaubt bereits gegessen zu haben. Manchmal liegen auch körperliche Ursachen wie Zahnschmerzen oder Kau- und Schluckbeschwerden zu Grunde. Bei anhaltender Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust ist deshalb unbedingt ein Arzt aufzusuchen.
Ist eine ausreichende Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit nicht mehr möglich, muss überlegt werden, ob eine künstliche Ernährung, z.B. durch eine Magensonde, sinnvoll ist. Im umgekehrten Fall kann es passieren, das der/die Patient/in nur noch essen möchte. Um zu vermeiden, dass er/sie stark zunimmt, sollten Sie dann vermehrt Obst oder Jogurt reichen.
Es ist nicht notwendig, für Demenzkranke nach einer bestimmten Diät zu kochen. Sie sollten aber darauf achten, dass ausreichend Ballaststoffe, Obst und Gemüse serviert werden, um Verstopfungen vorzubeugen. Es ist sehr wichtig, dass die Kranken ausreichend Flüssigkeit (mindestens 1 Liter = 8 Tassen pro Tag) zu sich nehmen, um Austrocknung, Verwirrtheitszustände und Verstopfung zu vermeiden.
III.3.5. Probleme bei der Kontrolle von Blase und Darm
Das Unvermögen, Urin oder Stuhl willentlich zurückzuhalten (Inkontinenz), ist eine häufige Begleiterscheinung der Demenz. Dabei verliert das Gehirn seine Kontrollfunktion über die Muskeln, die Stuhlgang und Blasenentleerung regulieren.
Andere Ursachen von Inkontinenzen sind behandelbare Krankheiten wie Blasenentzündung oder Prostataleiden.
Deshalb ist es wichtig, sobald Einnässen oder Einkoten häufiger vorkommen, einen Arzt aufzusuchen. Insbesondere in den frühen Stadien der Demenz liegt bei Schwierigkeiten, Harn oder Stuhl zu halten, häufig gar keine „echte“ Inkontinenz vor. Die demenzkranke Person ist vielleicht lediglich nicht mehr in der Lage, die Toilette rechtzeitig zu finden oder Stuhl- und Harndrang richtig zu deuten. Ist das der Fall, reicht es oftmals aus, die Kranken regelmäßig zur Toilette zu führen oder den Weg zum Badezimmer zu kennzeichnen, um die Zahl der „Missgeschicke“ deutlich zu verringern.
Sowohl für die Kranken als auch für die Angehörigen bedeutet Inkontinenz eine große Belastung. Die erkrankten Personen empfinden es als äußerst beschämend und erniedrigend, keine Kontrolle mehr über Blase und Darm ausüben zu können; die Angehörigen fühlen oft Ekel und Wut, kombiniert mit Schuldgefühlen darüber, nicht gelassener mit der Situation umgehen zu können. Der Einsatz eines Pflegedienstes und der Austausch in einer Selbsthilfegruppe können in dieser Lage eine große Hilfe sein.
Versuchen Sie den Kranken gegenüber eine sachliche und verständnisvolle Haltung einzunehmen – trotz Ihrer eigenen Schwierigkeiten. Entwickelt der/die Kranke nämlich mit der Zeit Schuldgefühle und versucht, die „Anzeichen seines Missgeschicks“ etwa in Schubladen oder Schränken zu verbergen, verschärft sich die Situation entscheidend.
Wenn das Problem der Inkontinenz zunimmt, sollten Kontinenzhilfen wie z.B. Einlagen verwendet werden. Katheter sollten nur von einem Arzt gelegt werden und sind als letzter Ausweg anzusehen.