Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI)
- Soziale Pflegeversicherung -

vom 26. Mai 1994, (BGBl. I S. 1014)

Einführung

Durch Art. 1 des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) ist das SGB um Buch XI ergänzt worden. Erstmals seit den 20er Jahren, als die Arbeitslosenversicherung geschaffen wurde, ist ein neuer - und vermutlich letzter - Zweig der Sozialversicherung eingeführt worden, nämlich die Pflegeversicherung, also eine Versicherung, die das Risiko der Pflegebedürftigkeit abdeckt. Einen ersten Einstieg in die gesetzliche Pflegeversicherung hatte 1988 das Gesundheits-Reformgesetz mit den §§ 53 ff. SGB V gebracht, die mit Inkrafttreten des SGB XI aufgehoben wurden. Die Schaffung der Pflegeversicherung war politisch außerordentlich stark umstritten und ist es, wie die Reformdiskussion zeigt, nach wie vor. Insbesondere die Wirtschaft wehrte sich vehement gegen ihre Einführung, weil sie der zusätzlichen Beitragsbelastungen eine Schwächung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit befürchtete. Um so mehr ist der Gesetzgeber darauf bedacht, den seit 1996 auf 1,7% festgeschriebenen Beitragssatz (§ 55 Abs. 1 SGB XI) nicht zu erhöhen, was in Anbetracht der Zunahme der Pflegebedürftigen sowie des Anstiegs der Kosten für die Pflegeleistungen inzwischen deutlich zu Lasten der Pflegequalität geht. Und nachdem in den ersten Jahren einige Finanzreserven hatten gebildet werden können, werden diese derzeit aufgebraucht, so dass sie kaum über 2006 hinaus reichen werden. Eine Reform der Pflegeversicherung ist jedoch in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr vorgesehen.

Das Gesetz beginnt im Ersten Kapitel mit den umfangreichen allgemeinen Vorschriften, die z.T. programmatischen Charakter haben, wie z.B. § 8 Abs. 1 SGB XI, wonach die pflegerische Versorgung der Bevölkerung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Daneben werden u.a. der Vorrang der häuslichen Pflege, der Vorrang von Prävention und Rehabilitation (Eingliederungshilfe) sowie die Pflicht der Pflegekasssen zu Aufklärung und Beratung festgelegt.

Das Zweite Kapitel (§§ 14ff. SGB XI) umschreibt den leistungsberechtigten Personenkreis. In § 14 SGB XI wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit normiert, in § 15 SGB XI deren verschiedene Stufen (erhebliche Pflegebedürftigkeit - Pflegestufe I -, Schwerpflegebedürftigkeit - Pflegestufe II - und Schwerstpflegebedürftigkeit - Pflegestufe III -). § 18 SGB XI regelt das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit unter Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung.

Das Dritte Kapitel (§§ 20 ff. SGB XI) regelt den versicherungspflichtigen Personenkreis. Die Versicherungspflicht ist dabei auf das Engste an die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung angebunden: Soweit Personen dort pflicht- oder freiwillig versichert sind, sind sie auch in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Eine Besonderheit stellt § 23 SGB XI dar. Danach besteht für privat Krankenversicherte die Pflicht, bei ihrem Krankenversicherungsunternehmen zugleich auch eine private Pflegerversicherung abzuschliessen. Und wer weder gesetzlich noch privat krankenversichert ist, kann der Pflegeversicherung freiwillig beitreten, § 26a SGB XI.

Das Vierte Kapitel (§§ 28 ff. SGB XI) ist dem Leistungsrecht gewidmet. Leistungen bei häuslicher Pflege werden entweder als "Pflegesachleistung" in Form von Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung oder als Pflegegel für selbstbeschaffte Pflegehilfen gewährt. Um Mitnahmeeffekten vorzubeugen, beträgt das Pflegegeld nur gut die Hälfte des Wertes der entsprechenden Pflegesachleistung; außerdem sind in Abständen obligatorische "Beratungen" des Pflegebedürftigen durch zugelassene Pflegeeinrichtungen vorgesehen, § 37 Abs. 3 SGB XI. Möglich ist auch eine Kombination von Geld- und Sachleistung, § 38 SGB XI. Weiter kommen Leistungen der teilstationären Tages- und Nachtpflege sowie in Ausnahmefällen der vollstationären Kurzzeitpflege in Betracht, §§ 41 f. SGB XI. Schließlich sind neuerdings "zusätzliche Betreuungsleistungen" - unabhängig von der Pflegestufe - vorgesehen, wenn ein "erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung" gegeben ist, etwa bei Demenz, §§ 45a f. SGB XI.
Darüber hinaus sind in § 43 SGB XI Leistungen der vollstationären Pflege vorgesehen. Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe erhalten einen Pauschalbetrag (maximal 256 € monatlich), § 43a SGB XI.
Ergänzend sieht § 44 SGB XI Leistungen zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen (zu ihnen § 19 SGB XI) vor, insbesondere in Form von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Im Fünften Kapitel (§§ 46 ff. SGB XI) ist die Organisation der Pflegekassen geregelt. Als Träger der Pflegeversicherung werden sie bei den Krankenkassen errichtet, denen damit auch die Wahrung der Aufgaben der Pflegekasssen obliegt. Weitere Regelungen betreffen die Mitgliedschaft, das Meldewesen und die Verbände.

Das Sechste Kapitel (§§ 54 ff. SGB XI) regelt die Finanzierung. Das Beitragsrecht entspricht dabei bisher weitgehend dem der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 03.04.2001) verlangt, diejenigen Versicherten, die Kinder betreuen und erziehen, beitragsrechtlich besser als kinderlose Versicherte zu stellen. Letztere müssen daher seit 01.01.2005 einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25% leisten, § 55 Abs. 3 und 4 SGB XI. § 66 SGB XI sieht einen umfassenden Finanzausgleich unter allen Pflegekassen vor.

Das Siebte Kapitel (§§ 69 ff. SGB XI) enthält Bestimmungen über die "Beziehungen der Pflegekassen zu den Leistungserbringern". Geregelt werden insbesondere die Zulassung von Pflegeeinrichtungen und dass Vertragswesen, ferner Wirtschaftlichkeitsprüfungen und die Qualitätssicherung.

Im Achten Kapitel (§§ 82 ff. SGB XI) wird die Pflegevergütung geregelt, im Neunten (§§ 93 ff. SGB XI) der Datenschutz und die Statistik und im Elften das Ordnungswidrigkeitenrecht.

Eine Besonderheit stellt schließlich das Zehnte Kapitel dar (§§ 110 f. SGB XI). Denn dort werden Grundsätze der privaten Pflegeversicherung geregelt, um die Interessen der Personen zu wahren, die zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung verpflichtet sind.